KI-gestützte Verkehrsuntersuchung:

Fahrradstraßen als Vorbild für mehr Sicherheit, Nachhaltigkeit und lebenswerte Quartiere?​

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Erkenntnisse zum interaktiven Verkehrsgeschehen an Schulen mittels bildgebender Sensorik und künstlicher Intelligenz​

In Zeiten zunehmender Urbanisierung und wachsenden Umweltbewusstseins stehen Sicherheit, Nachhaltigkeit und die Schaffung lebenswerter urbaner Quartiere im Fokus städtischer Entwicklungsinitiativen. Fahrradstraßen sind ein Synonym für diese Bestrebungen. Doch wie können sie realisiert werden, ohne dass die Sicherheit beeinträchtigt wird? Dank innovativer technologischer Fortschritte bieten bildgebende Sensorik und künstliche Intelligenz (KI) heute neue Möglichkeiten zur Beobachtung und Analyse urbaner Verkehrsströme. Wir bieten Ihnen tiefe Einblicke aus einem KI-gestützten Verkehrsforschungsprojekt, das die Machbarkeit von Fahrradstraßen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Verbesserung der Lebensqualität in städtischen Gebieten untersucht.

Verkehrsprobleme führen zum Ruf nach Fahrradstraßen:

Der Stadtteil Meckelfeld in Seevetal ist ein Ort zum Leben, Lernen, Arbeiten und Erholen für viele Menschen. Im Wohngebiet rund um den Appenstedter Weg befinden sich ein Schulzentrum mit einem Gymnasium und einer Oberschule, ein großer Sportplatz, ein Jugendzentrum, ein Friedhof und ein Gewerbegebiet. Diese Vielzahl an Einrichtungen führt regelmäßig zu erheblichen Verkehrsproblemen, die die Lebensqualität und die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. 

Der Appenstedter Weg ist demnach eine stark befahrene Straße ohne Fahrradwege, die von unterschiedlichen Verkehrsteilnehmenden genutzt wird. Rad fahrende Kinder auf dem Weg zur Schule oder zum Sportplatz müssen sich den Straßenraum mit Autos, Lastwagen und Bussen teilen, die oft zu schnell oder zu dicht auffahren. Besonders in den Morgen- und Nachmittagsstunden kommt es zu hohem Verkehrsaufkommen und gefährlichen Verkehrssituationen. Obwohl es in der Nähe eine parallel verlaufende Hauptstraße gibt, die den Pkw- und Lkw-Verkehr um das Wohngebiet herumleiten soll, suchen viele Autofahrer:innen Abkürzungen durch das Wohngebiet, um den längeren Weg über die Hauptstraße zu vermeiden und schneller ans Ziel zu kommen. 

Dies führt zu einer zusätzlichen Verkehrsbelastung und gefährdet die Radfahrer:innen. Hinzu kommt, dass der Appenstedter Weg zu schmal ist, um Radfahrstreifen oder andere Radverkehrsanlagen anzulegen. Radfahrende müssen daher entweder auf der Fahrbahn oder auf dem Gehweg fahren, was zu Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmenden führt. Zudem wird der Gehweg häufig von Pkw und Lkw zugeparkt, die den Seitenraum nutzen. 

Um die Sicherheit für Radfahrende, insbesondere für Kinder, zu erhöhen, stellt sich die Gemeinde Seevetal die Frage, welche Alternativen denkbar und vorteilhaft sind. Eine Möglichkeit wäre, den Appenstedter Weg in eine Fahrradstraße umzuwandeln, in der Radfahrende Vorrang haben und Autos nur Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen. Andere Verkehrsteilnehmende können durch ein entsprechendes Zusatzzeichen zugelassen werden.

Mangel an Daten und Wissen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung:

Die Umwandlung einer bedeutenden Verkehrsachse in eine Fahrradstraße ist eine komplexe politische und administrative Fragestellung, die eine datenbasierte Analyse und evidenzgestützte Entscheidungsfindung erfordert. Die Verkehrsachse ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und wird täglich von einer großen Anzahl motorisierter und nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmenden genutzt. Eine mögliche Umgestaltung zu einer Fahrradstraße würde eine Neuausrichtung der Verkehrsdynamik bedeuten, indem dem Radverkehr Vorrang eingeräumt wird. Eine solche Transformation könnte sich positiv auf die Verkehrssicherheit und die Attraktivität des Radverkehrs auswirken, aber auch negative Auswirkungen auf den Verkehrsfluss und die Erreichbarkeit für motorisierte Verkehrsteilnehmende haben.

Die Evaluierung möglicher Auswirkungen einer Fahrradstraße erfordert zuverlässige Daten in Bezug auf Verkehrsvolumen, Verkehrszusammensetzung und Geschwindigkeitsprofile. Solche umfassenden Daten waren vor Beginn des Projekts nicht verfügbar, was eine fundierte Entscheidungsfindung erschwerte. Darüber hinaus ist das Thema von starken emotionalen Aspekten geprägt. Anwohner:innen sowie Pendler müssen morgens und nachmittags längere Staus in Kauf nehmen und vertreten unterschiedliche Interessen und Standpunkte. Eine mögliche Umwandlung in eine Fahrradstraße könnte Konflikte hervorrufen oder verstärken. Bei den Radfahrenden könnte die Akzeptanz und Zufriedenheit steigen, bei den Autofahrenden die Frustration und Ablehnung.

Erschwerend kommt bei diesem Entscheidungsprozess hinzu, dass Fahrradstraßen nur dann wirksam zur Steigerung der Attraktivität und Sicherheit des Radverkehrs beitragen, wenn der Radverkehr die dominierende Verkehrsart ist. Diese Voraussetzung scheint in der betrachteten Verkehrsverbindung nicht gegeben zu sein: Der motorisierte Verkehr überwiegt. Die Einrichtung einer Fahrradstraße könnte daher potenziell zu einer Verschlechterung der Verkehrssituation für alle Verkehrsteilnehmenden führen. Daher ist es wichtig, parallel ergänzende Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs und zur Reduzierung des motorisierten Verkehrs umzusetzen.

Schaffung einer daten- und evidenzbasierten Entscheidungsgrundlage auf Basis künstlicher Intelligenz:

Vor diesem Hintergrund war es Ziel des Projektes, eine daten- und evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage für die Einrichtung einer Fahrradstraße im Appenstedter Weg zu schaffen. Dazu wurde eine umfassende Verkehrserhebung zur Erfassung und Analyse der aktuellen Verkehrssituation durchgeführt und die relevanten Akteure eingebunden. Dabei standen die Berücksichtigung und Kommunikation der unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen im Vordergrund.

MoBe Analytics als digitales Werkzeug zur Beobachtung und Analyse des Verkehrsgeschehens:

Der Ansatz und die Lösung bestanden darin, die notwendigen Daten für die Gemeinde Seevetal mittels bildgebender Sensorik und neuester Verfahren aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz zu erheben. Mit unseren Data & Insights Solutions haben wir die richtige Basis geschaffen, um Verkehrsdaten zu erheben das Verkehrsgeschehen mikroanalytisch zu betrachten und zu verstehen.

An einem repräsentativen Tag haben wir über einen Zeitraum von 18 Stunden (5-23 Uhr) das Verkehrsgeschehen im Umfeld des Appenstedter Wegs an insgesamt 17 Knotenpunkten beobachtet und datenschutzkonform durch automatisierte Anonymisierung DSGVO-konform erfasst. Im Fokus standen dabei der Rad-, PKW-, LKW- und Busverkehr sowie die Fußgängerströme. Mittels bildgebender Sensorik und einem eigenen, speziell für diese Anwendung trainierten Modell wurden die Verkehrsteilnehmenden mit Hilfe unserer KI-basierten   Analysesoftware MoBe-Analytics in die Teilnehmertypen Radfahrer, PKW, LKW und Bus klassifiziert und deren Bewegungsprofile an den Kreuzungen ermittelt. 

Zählstellen

IST-Bewegungen

Knotenströme

Einsatz von Georeferenzierung und KI für fortschrittliche Verkehrsanalysen

In einem zweiten Schritt wurden diese Profile durch geeignete Kamera-Kalibrierungen in georeferenzierte Trajektorien umgewandelt und auf 2D-Karten dargestellt. Damit stehen für jeden beliebigen Betrachtungszeitraum neben der Anzahl der Verkehrsteilnehmer auch die jeweilige Fahrtrichtung, die Geschwindigkeit sowie der Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmenden für eine evidenzbasierte Entscheidung zur Verfügung. Die Daten  dieser Trajektorien bilden somit die Grundlage für eine sehr detaillierte Betrachtung und Analyse der Verkehrsströme.

Insgesamt wurden über 97.000 georeferenzierte Trajektorien ermittelt. Mit Hilfe unserer künstlichen Intelligenz wurden die Trajektorien den jeweiligen Verkehrsteilnehmerklassen (Fußgänger, Radfahrer, Pkw-, Lkw- und Busverkehr) zugeordnet. Anhand der erfassten Verkehrsströme an den 17 Knotenpunkten wurde zwischen Durchgangsverkehr und Hol- und Bringverkehr zur Schule unterschieden. 

Die gewonnenen Erkenntnisse lieferten der Gemeinde eine daten- und evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage für verkehrliche Maßnahmen am stark befahrenen Appenstedter Weg. Durch den datenbasierten Ansatz wurden in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsplanungsbüro RV-K die notwendigen Informationen bereitgestellt, um evidenzbasierte Maßnahmenvorschläge zu ermitteln. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie der Kfz-Verkehr im Appenstedter Weg reduziert werden kann, damit die Vorteile einer Fahrradstraße zum Tragen kommen können.


Eigene Verkehrsanalysen durchführen?

Sie haben gesehen, wie wir mit unserer innovativen Lösung MoBe Analytics die Verkehrssituation im Appenstedter Weg mit bildgebender Sensorik und Methoden der künstlichen Intelligenz analysiert haben. Möchten Sie das auch für Ihre verkehrsplanerischen Fragestellungen tun? Dann lassen Sie sich von uns beraten, wie unsere Modellierungs- und KI-Verfahren Ihnen dabei helfen können, aus Verkehrsdaten feingranulare, mikroskopische Analysen und Erkenntnisse aus Verkehrsdaten zu gewinnen. Wir helfen Ihnen, daten- und evidenzbasierte Antworten auf Ihre individuellen Herausforderungen zu finden. Kontaktieren Sie uns noch heute und profitieren Sie von unserer Expertise und Erfahrung. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!